Körperwahrnehmung als Verhaltenskompass

Körperwahrnehmung als Verhaltenskompass

 

 

 

Von der Empfindung zur Wahrnehmung

 

Die Körperwahrnehmung hat in ihrem Ursprung nichts mit Sprache zu tun. Am Anfang stehen die Rezeptoren, verteilt über unseren Körper, welche Informationen über Zustände und Veränderungen in elektrische Impulse umwandeln. Diese gelangen über Nervenleitungen in unser Gehirn, werden dort verarbeitet und für die Steuerung unserer Körperfunktionen und unseres Verhaltens verwendet. Nur in Ausnahmefällen kommen diese Informationen in unser Bewusstsein und führen zu einer Körperempfindung.

 

Die Empfindung meines Körpers hat eine Mehrdimensionalität, die ich nicht sprachlich zum Ausdruck bringen kann. Empfindungen bewegen sich in einem Feld zwischen mehreren Polen. Eine Empfindung ist nicht eindeutig so oder so. Eine Empfindung kann mich auch verunsichern. Erst wenn ich eine Körperempfindung einordnen kann, sie mit einem Bild, einen Sinnzusammenhang in Verbindung bringen kann, wird aus ihr eine Körperwahrnehmung. Oftmals ist diese Fähigkeiten im bisherigen Leben aber nur sehr schwach entwickelt worden und muss daher erst in einer agogischen Arbeit oder Therapie (Gymnastik, Yoga, Feldenkrais, Alexander-Technik usw.) aufgebaut werden.

 

 

 

Mit dem Körper in Kontakt

 

 

 

„Ist unsere Aufmerksamkeit erst einmal gefangen in Gedanken, Bewertungen, Anforderungen, Erwartungen und anderen Stressfaktoren, bleibt keine Zeit mehr für uns selbst.“ Alan Fogel

 

 

 

Den Körper nicht wahrzunehmen ist also eher der Normalzustand. Die meiste Zeit brauchen wir den Körper auch gar nicht bewusst wahrzunehmen. Doch manchmal nehmen wir ihn auch nicht wahr, wenn er sich selbst in unserm Bewusstsein meldet. Wir verdrängen die Information, dass unsere Nacken- oder Rückenmuskulatur verspannt ist, dass sich in unserem Bauch ein unangenehmes Gefühl aufbaut.  Doch so verlieren wir den Kontakt zu unserem Körper. Das passiert uns allen immer wieder. Bei grösseren Belastungen und Herausforderungen fehlt uns die Aufmerksamkeitskapazität, um auch noch unseren Körper wahrnehmen zu können. Doch mit etwas Übung können wir der Körperwahrnehmung mehr Präsenz in unserm Bewusstsein verschaffen, um sie als Informationsquelle für unsere Verhaltenssteuerung zu nutzen.

 

Nehme ich wahr, wie mein Körper auf innere (meine Gedanken und Gefühle) und äussere Reize (aus der Umwelt) mit muskulärer Anspannung reagiert, so kann ich mein Verhalten so anpasssen, dass sich meine körperliche Befindlichkeit wieder verbessert. So laufen Interaktionen nicht nach unbewussten, gewohnheitsbedingten Mustern ab, sondern ich gestalte diese bewusst mit. Ich lebe aus meinem körperlichen Sein heraus, achte darauf, was in mir eine positive körperliche Resonanz auslöst

 

Emotionen lösen immer körperliche Reaktionen aus und werden für uns so für erst wahrnehmbar. Darum ist Körperwahrnehmung ist immer auch Selbstwahrnehmung.  Das Eigene, das sein will - das nach Entfaltung strebende Selbst. Die Körperwahrnehmung bringt mich in die Gegenwart ins Hier-und-Jetzt. Nicht ins Denken über die aktuelle Situation, sondern ins Wahrnehmen des Körpers, der Atembewegung, der Anspannung der Muskulatur, des Kontaktes zum Boden, zum Stuhl auf dem ich sitze, der Welt, der Menschen um mich herum.

 

 

 

 

 

Alexander-Technik – körperorientiertes Selbstmanagement

 

Wie verbinde ich ein Im-Körper-Sein mit meinem konkreten Lebensalltag? Wie gelingt es, dass das Bewusstsein für den eigenen Körper durch die Anforderungen des Alltags nicht an den Rand oder sogar aus meinem Bewusstsein heraus gedrängt wird?

 

F.M. Alexander hat eine Methode der Lebenspraxis entwickelt, welche den aufmerksamen Umgang mit dem eigenen Körper und die erfolgreiche Bewältigung der Aufgaben des Lebens verbindet. Die Instrumente der Methode sind einfach: Innehalten – Wahrnehmen – sich mentale Anweisungen geben. Damit verbunden ist eine Erkundungstour durch die eigene Selbstorganisation. Wie funktioniere ich? Welche Gewohnheiten, Muster oder neuronalen Programme in meinen Bewegungen, meinem Denken und Fühlen bestimmen mein Verhalten? Will ich, dass diese Programme mein Verhalten bestimmen oder möchte ich andere, neue Programme, welche mein Wohlbefinden steigern und meine Entfaltungsmöglichkeiten erweitern? Die Alexander-Technik ist ein Prozess der Selbsterforschung. Man lernt den Körper wahrzunehmen, in Ruhe, in Bewegung, in alltäglichen Aktivitäten. Man lernt mit neuen Programmen zu experimentieren und diese, wenn sie positiv erlebt werden, in die Selbstorganisation zu integrieren.

 

Das Feld auf dem man sich bei dieser Forschungsreise bewegt ist - die Körperwahrnehmung.

 

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